Wie man einen Satelliten in die Knie zwingt

AO-85 kurz vor dem Start.  Schön zu sehen die noch eingerollte Antenne. Auch er wurde Opfer durch Überlast der Akkus (Bild: AMSAT-NA)
AO-85 kurz vor dem Start. Schön zu sehen die noch eingerollte Antenne. Auch er wurde Opfer durch Überlast der Akkus (Bild: AMSAT-NA)

"Schreibe immer positiv", haben mir erfahrene Blogger geraten. Ich bezeichne mich eher als Gelegenheits-Blogger, also nicht ein erfahrener Profi. Möchte aber trotzdem dem Rat der "Profis" so gut es geht befolgen. Ich wünsche mir ja, dass die Beiträge auch gelesen werden. Daher habe ich den Titel etwas provokativ gewählt. Natürlich möchte ich hier keine Anleitung zur nachhaltigen Schädigung von Satelliten zum Besten geben - um Gotteswillen.. :-)

Der Amateurfunkdienst über Satellit erfreut sich immer grösserer Beliebtheit, was mich sehr freut. Der geostationäre Satellit QO-100 hat sicher seinen wesentlichen Beitrag dazu geleistet. Aber auch die ISS ist als Botschafter dieser beliebten Betriebsart nicht ganz unschuldig daran. (Ist eigentlich Betriebsart die richtige Bezeichnung?.. hmmm)

 

Und wie wir Funkamateure so sind, die zum ersten Mal ein neues Gebiet betreten, experimentieren wir ersteinmal it dem unbekannten Wesen Satelliten. Damit es auch klappt, wird die Leistung hoch gedreht und mit etwas Glück ein prima Signal am Satelliten erzeugt. Ziel erreicht! Son einfach!

Doch beim zweiten QSO ist das Signal auf einmal viel Leiser. Kurzum wird die PA dazu geschaltet und man ist wieder bei den Leuten. Und das Spiel geht immer so weiter.  Und man ist erstaunt, warum die Leistung plötzlich nicht mehr ausreicht. Unbewusstes Vorgehen für den Laien, aber was hier jedoch passiert, ist für die Lebensdauer des Satelliten Brand gefährlich.

 

Um den Vorgang zu verstehen, zuerst ein kleiner Szenenwechsel: FT-8 auf Kurzwelle.

Laut Erfinder genügen wenige Watt Sendeleistung vollkommen um das selbe Ergebnis wie mit 100 Watt SSB zu erreichen. Wer die AGC seines Empfängers ausschaltet, wird jedoch rasch feststellen, dass kaum noch ein Signal decodiert werden kann. Viel zu stark sind (leider) die Signale.

Genau das passiert auch bei den Satelliten: Die Transponderleistung wird proportional zu den empfangenen Signalen und deren Stärken verteilt. Um so stärker ein Signal, um so höher wird die Transponderleistung. Nur irgendwann ist einmal fertig. Eine hohe Transponderleistung über längere Zeit überfordert den Energiehaushalt des Satelliten. Nicht immer fliegen die Satelliten lange genug durch das Sonnenlicht, um den Energieverlust durch Nachladen der Akkus wieder wett machen zu können. Um die Akkus des Satelliten zu schützen, wird ab einem bestimmten Level die AGC eingeschaltet, damit der Sender nicht zu stark ausgesteuert wird. So besteht die Chance, die Lebensdauer möglichst lange aufrecht erhalten zu können. Das hat zur Folge: Leise Stationen fallen unter die Schwelle der AGC, da der Empfänger dadurch quasi "taub" geschaltet wird.

Die Satelliten selbst haben eine Sendeleistung im QRP-Bereich und verfügen über eine Monopol- oder Dipol-Antenne. (Selten sind es Antennen, die einen Gewinn über Dipol aufweisen.) Und genau die selben Konditionen, wie beim Satelliten herrschen,  würden theoretisch auch auf der Erde genügen. Denn die Strecke ist genau die selbe - kein Unterschied. Leider sehen das (oder wissen es) nicht alle so - oder haben prinzipiell mehr in die Endstufe investiert, als in eine gute Empfangsanlage mit rauscharmen Vorverstärkern. (Wird ja auf KW auch nicht benötigt - oder?)

Der Andrang auf die Satelliten ist zu Stosszeiten so hoch, dass oft 100 Watt mit 10 Element Yagi (1000 Watt EIRP) nicht reichen um gehört zu werden. In Extremfällen, die hin und wieder zu beobachten sind, kann selbst die AGC hier nichts mehr ausrichten. Der Transponder läuft so ständig auf Höchstleistung und die Batterien werden ausgesaugt und abgenutzt. Die Lebenszeit dadurch fällt - manchmal dramatisch sehr schnell. Letztes bekannte Opfer.: AO-85. Bis eine Kommandostation die Daten analysiert und weiss, wie er eingreifen muss, kann es schon zu spät sein.

 

Bei QO-100 wirkt man mit LEILA dagegen: Ist das Signal zu stark, meldet sich LEILA mit einem Alarm-Signal.  QO-100 besitzt keine automatische AGC. LEILA kennen wir bereits von AO-40. Damals war diese Funktion im Satelliten selbst implementiert. Das hatte den Vorteil, dass LEILA eine Zusatzfunktion hatte: Stationen, die trotz Warnsignal die Leistung nicht reduziert hatten, wurden vom System ausgenotcht. Bei QO-100 wird LEILA von Bochum aus betrieben. Daher kann das Notching nicht zusätzlich gesteuert werden.

Bei einem geostationären Satelliten ist ein bodengestütztes LEILA relativ einfach.

 

LEILA-2 wird für QO-100 eingesetzt. Im folgenden Video spricht der Entwickler Mario Lorenz, DL5MLO darüber:

Diese Funktion im Satelliten zu integrieren, vor allem bei den kleinen Cubesat, ist jedoch aufwändig und geht auch hier zu Lasten der Nutzlastkapazität und Startkosten. Daher zählt man auf den gesunden Menschenverstand der Funkamateure, damit sie ihre Sendeleistung besonnen einsetzen.

Bei den LEO-Satelliten ist es aus diesem Grund von vitalem Interesse, dass die Uplink-Leistung eingehalten wird.

Um dies zu kontrollieren, wird von den AMSAT Vereinigungen immer wieder empfohlen, Voll-Duplex zu fahren, damit man merkt wie stark man am Satelliten ankommt. Und das hat auch einen weiteren Vorteil: Man hört sofort, ob man  dadurch nicht versehentlich ein laufendes QSO stört. CW-Operator haben manchmal ihre Mühe mit Vollduplex, da sie zeitgleich den Monitor-Ton des Gebers hören und das zurück gehörte Signal, was sie verwirrt.

 

Tipp 1:

Eine alte Faustregel besagt, dass 100 Watt EIRP bei LEO-Satelliten nicht überschritten werden sollen. Wer schon mal ganz alleine auf einem Satelliten QRV war, weiss, dass QRP-Leistung meistens voll und ganz ausreichen.

 

Tipp 2:

Es gibt Satelliten wie EO-88, wo selten jemand qrv ist.

 

Tipp3:

AO-7 "flipt" der Satellit, wenn ein zu starkes Signal gesendet wird. Das heisst, der Transpondermodus schaltet um.

 

 

Um diesem Thema noch etwas mehr Basis fürs das Verständnis zu geben, benutze ich bei meinen Vorträgen eine Simulation, welche ich in Excel erstellt habe.

Zum Herunterladen der Datei, bitte hier klicken
Vereinfachte Simulation der Signalstärke für 2m und 70cm.

Download:

Download
S_Meter Simulator_HB9WDF.xlsx
Microsoft Excel Tabelle 131.1 KB

Mit dieser lassen sich die Signalstärken am Satelliten simulieren. Es sind dabei auch Faktoren wie Polarisations-Effekte und Freiraumdämpfung berücksichtigt. (Zu diesen Themen habe ich bereits Blog Beiträge in Vorbereitung)

Ich stelle nun diese Datei für die interessierten Leser meines Blogs zur Verfügung. Mit ein paar Feldern und Schieberegler kann man seine Konfiguration selber definieren und schauen, was am Satelliten dann genau passiert..

 

Vielleicht findet sich jemand, der Lust hat, das Tool in einer Webumgebung zu entwickeln. Wäre ja ein einfaches Lehrstück für einen Stift, nein Azubi… - ähm sorry – Lernende in der Informatik.

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