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Tauchgang Nr. 1000

Tauchen? Niemals! Mit dem ganzen Geschläuche in einer Abhängigkeit unter Wasser zu sein - unvorstellbar. So dachte ich vor 20 Jahren. Daniela hatte da eine deutlich andere Meinung.

Erstens kommt es anders als zweites man denkt...

 

Die unverhofften Momenten haben in meinem Leben die bedeutendsten Weichen gestellt. Sei es Schule, Lehre oder Beruf oder auch in meinen Hobbys. 

 

Das Thema Tauchen war für mich unvorstellbar. Das hing mit einem nicht so schönen Erlebnis in meiner Jugendzeit zusammen: Mit Surfbrett und Segel war ich auf dem Sempachersee bei Windstärke 2-3 unterwegs. Gerade richtig, um an meinen Techniken zu feilen. Dann kam ein Sturm auf mit Windböen bis zur Stärke 6. Das war für mich zu viel. 3 Stunden war ich auf dem See und holte  mir eine kräftige Unterkühlung. Der Schock lag mir Jahrelang in den Knochen. Ich traute mich nicht mehr aufs Surfboard - ich ging nicht einmal mehr schwimmen. Erst 10 Jahre später traute ich mich wieder aufs Board. Angefreundet habe ich mich nicht mehr. Aber ich habe es gelernt zu akzeptieren.

Über die Jahre gingen Daniela und ich immer mehr auf Reisen und lernten dabei die Insel El Hierro kennen. 1996 das erste Mal. Jeden Winkel der Insel haben wir erforscht und lernten sie lieben. Kein Massentourismus und dafür eine unglaublich vielfältige Natur.

 

Wir waren jedes Jahr dort und eigentlich dachte ich, dass wir bald einmal davon genug haben könnten. 

In den Jahren 2000/2001 paukte ich für eine Weiterbildung und besuchte wochenweise den Unterricht. Der fand meistens auf dem wunderschönen Bürgenstock in der Zentralschweiz statt.

Klar kamen wir in in den Pausen auch auf unsere Freizeitbeschäftigung zu sprechen. So kam es, dass eine Kollegin vom Tauchen vorschwärmte und ich wiederum von unseren Reisen nach Nordamerika und den Kanaren. Beim Stichwort "El Hierro" bekam sie leuchtende Augen: "Da musst Du unbedingt mal hin zum Tauchen - das ist ein richtiges Paradies"

 

Nun, zu diesem Zeitpunkt konnte ich mir das nicht so richtig vorstellen. Der Reiz war allerdings schon da,unsere Lieblings Insel auch von unten kennen zu lernen. Daniela versuchte mich schon seit längerem zum Tauchen zu überzeugen. Aber meine Beziehung zum Wasser war zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich zum Guten gestellt.

Doch das Thema liess mich trotzdem nicht los. Heimlich habe ich im Internet über Tauchen und El Hierro nachgeforscht. Viel gab es damals noch nicht. Aber das was ich sah, war sehr faszinierend. Und dann gab es noch diese eine deutsche Tauchbasis auf El Hierro, die auch Schnuppertauchen anbot. Das war vermutlich dann der Schlüsselmoment. Die Hürde zwischen meinen Ohren schien machbar zu sein. Vorsichtig habe ich Daniela davon erzählt. Klar hat sie angebissen - und logischerweise nicht mehr los gelassen. Was man noch dazu sagen muss: Wir standen ein paar Wochen vor Abflug in Richtung El Hierro. Also buchten wir den Schnuppetauchgang bei Fan Diving El Hierro.

Jutta und Günter leiten auch heute noch die Tauchbasis Fan Diving El Hierro. Günter nahm sich sehr viel Zeit für uns. Das Briefing war sehr ausführlich. Meine Bedenken schlug er rasch in den Wind. So gingen wir in den Hafen und machten uns für das Abenteuer bereit. Günter ging mit mir zuerst ins Wasser. Über den Srand sind wir ins Meer gegangen, bis das Wasser bis zur Brust reichte. Noch ein letzter Check und Hinweise - wir tauchten ab.

Und da war dieser magische Moment: Ich tauchte in eine absolut neue, friedliche Dimension ab. Nie mehr wollte ich wieder auftauchen. Der Schnuppertauchgang war magisch.

Das war übrigens ein paar Wochen nach 9/11. Und irgendwie war dieser Schnuppertauchgang ein erlösender Moment in dieser verrückten Zeit.

Günter informierte uns über Ausbildungsmöglichkeiten sowohl bei ihm, wie auch zu Hause in der Schweiz.

 

Wir waren kaum zu Hause, haben wir die Ferien im Juni 2002 gebucht: 2 Wochen El Hierro inkl. SSI Open Water Diver Kurs bei Günter.

 

Kaum ein halbes Jahr später waren wir wieder bei Günter und Jutta. So kam es, dass wir nach einigen "Pool-Tauchgänge" (die fanden im Hafen von El Hierro statt) unseren ersten offiziellen Tauchgang ins Logbuch eintragen durften.

Damals dachten wir uns, dass wir hie und da in den Ferien zum Tauchen gehen. Wenn wir dann mal 100 Tauchgänge im Logbuch haben, dann sind sicher schon 10 Jahre vorbei.

Nun, kaum zu Hause schwangen die Erlebnisse immer mit. Die Begeisterung liess uns nicht los. Wir suchten im Netz nach Tauchen im Vierwaldstätterseen.  Wir landeten bei Cristina und Reto von DTC Luzern. Sie führten uns gedultig in das Tauchen im See ein.

Nun: Wir schrieben uns bei ihnen für den CMAS Zweistern im Frühling ein. 

Innerhalb eines Jahres haben wir unser Level auf CMAS Zweistern angehoben - und im Juni 2003 unseren 100sten Tauchgang ins Logbuch geschrieben - auf El Hierro :-)

Nun, diese hohe Kadenz an Tauchgängen konnten wir nicht hoch halten. Zu viele Veränderungen haben in unserem Leben statt gefunden. 2011 war der Tiefpunkt mit gerade mal 17 Tauchgänge. Aber losgelassen hat es uns nicht. Schuld ist vermutlich Günter, der uns mit der Unterwasserfotografie angesteckt hat :-)

Unser Traum war es immer, den Tauchgang Nr 1000 au El Hierro zu unternehmen. Nun - Daniela ist durch ihre wunderschönen Solo-Trips mich links liegen gelassen und durfte ihren 1000sten Tauchgang vergangenes Jahr ins Logbuch eintragen. Leider nicht auf El Hierro. Aber die Malediven, wo wir zum ersten mal in unserer Tauchkarriere waren, war kein schlechter Ersatz.

Im Februar dieses Jahres waren wir auf Bonnaire. Der Mitarbeiter am Check-In meinte, dass ich ja den 1000sten Tauchgang in diesem Ferien ins Logbuch bringen würde. Das hätte aber ein Non-Limit Tauchen bedeutet, mti 5 Tauchgänge pro Tag. So verrückte Froschmänner soll es ja geben. Dazu zähle ich mich aber nicht.

Wir hatten El Hierro im Juni angepeilt. Doch der Lockdown durch Covid-19 machte uns einen Strich durch die Rechnung. (Gerade um 2 Wochen verpasst).

Als Ersatz hatten wir Malta im September gebucht. Und ich hatte schon einen Plan: TAuchgang Nr. 1000 soll in den Catherdal Caverns statt finden. Einen Tauchplatz, der eine unglaublich magisch auf mich wirkt. 2 Wochen vor Abflug kam aber die Nachricht, die sich schon seit Tagen abzeichnete: Wegen zu hohen Fallzahlen der Covid-19 Patienten wurde Malta auf die Liste des BAG gesetzt. 

Auch die Balearen traf es zu diesem Zeitpunkt. Also wieder umdisponieren. Obwohl ganz Spanien inkl. Balearen auf der Liste war, hat es die Kanaren nicht so stark getroffen. Sie liegen sogar weit unter der Schweiz. 

Also haben wir Jutta angerufen und uns nach kurzfristigen Möglichkeiten bei ihnen erkundet. 3h später waren Flug, Unterkunft und Tauchen gebucht. Anscheinend könnte es also klappen mit dem Tauchgang Nr. 1000 auf El Hierro - zu mindest für micht.

Und tatsächlich: Am 2.9.2020 war es dann soweit. Günter fuhr mit uns an den Tauchplatz El Desierto. Es ist einer unserer Lieblingstauchplätze in El Hierro. Vermutlich auch aus folgendem Grund: Unser Abschlusstauchgang unseres SSI OWD Kurses fand genau an diesem Tauchplatz statt. Es war der erste ausserhalb des Hafens von La Restinga, und somit unser erste Bootstauchgang.

 

Als wir auf der maximalen Tiefe ankamen, überraschte ich Daniela mit eine Glückwunschkarte unter Wasser. Was wir dann auch fotografisch festgehalten haben. 

 

Aussergewöhnlich anders war der 1000ste Tauchgang sonst nicht. Wir haben ihn wie fast jeden anderen Tauchgang in vollen Zügen genossen.

 

Vor wenigen Jahren sah es so aus, dass Daniela und ich den Tauchgang Nr. 1000 gemeinsam unternehmen könnten. Doch Daniela hatte das Glück, etwas öfters zum Tauchen zu gehen als ich. Sie hatte ihren Milleniums-Tauchgang letztes Jahr auf den Malediven. Auch schön :-) 

Wir sind stolz auf unsere 1000 Tauchgänge. Jeder einzelne ist fein säuberlich in Form eines Tagebuchs protokolliert. Genau so wie wir es im OWD Kurs damals gelernt haben. Die meisten Taucher loggen nur noch die Eckdaten in ihrem Log. Für uns ist jedoch das Reflektieren eines Tauchgangs zum Ritual geworden. 

 

1000 Tauchgänge bedeutet auch viel Datenmaterial, welche interessante statistische Informationen liefern können. Hier ein paar Beispiele:

408 Tauchgänge im Süsswasser

592 Tauchgänge im Salzwasser

866,17 Stunden (36,09 Tage) total verbrachte Zeit unter Wasser

1'570'843 Liter Luft verbraucht

27,0m durchschnittliche aximale Tiefe

223 unterschiedliche Tauchplätze betaucht

182 Tauchgänge am Lopper (Vierwaldstättersee) 

 

Was sich über die Jahre geändert hat, ist beispielsweise das Verhältnis Süsswasser zu Salzwassertauchgänge. Noch bis zum Tauchgang Nr. 300 war das Verhältnis in etwa:

2/3 Süsswasser zu 1/3 Salzwasser

 

Heute sind es bereits 60% Salzwasser und nur noch 40% Süsswasser. 

Mitschuldig an dieser Veränderung ist sicher, dass unser "Hausriff" Lopper mehrmals für längere Zeit wegen Bauarbeiten geschlossen war. Aber auch regnerishce Sommer, die das Wasser stark eintrübten, hatten das Tauchvergnügen getrübt.

 

Die Daten stimmen nicht zu 100%, da bei den ersten ca. 150 Tauchgänge einige Daten nur grob geschätzt ermittelt werden konnten. Die Tatsache jedoch, dass wir über einen Monat unseres Lebens unter Wasser verbracht habe, ist schon erstaunlich.

Einige Leser fragen sich vielleicht nach den tiefsten Tauchgänge. Die Statistik sagt, dass die am meisten angetauchte Tiefe bei 35m liegt. Was tiefer als 40m liegt, haben wir jedoch sehr selten betaucht. Und der tiefste war bei 61m. Allerdings war dies nicht ein 100%-iger Tauchgang. Der fand in einer Druckkammer in Überlingen im Rahmen eines DTC-Seminars statt. Ein wahrlich sehr spannendes Erlebnis.

Ja, erlebt haben wir während den 1000 Tauchgänge auch sehr viel unter Wasser.

 

Hängengeblieben sind natürlich die schönen Momente. Beispielsweise beim Tauchgang Nr. 274, als wir unseren ersten Mobulas unter Wasser antrafen. (Ja, es brauchte bei mir (uns) 274 Tauchgänge bis zu diesem ersten magischen Moment).

Und wäre Günter nicht gewesen, hätten wir die zwei Mobulas auch noch verpasst. Der Tauchplatz Baja Ribera ist eine Felsnadel im Südosten der Insel. Wir tauchten einige male um die Nadel in der Hoffnung, etwas Grossfisch zu sehen. Doch anscheinend blieb uns das Glück fern. Der Felsen ist voll mit Makrowesen und so haben wir uns dem Nahfeld gewidmet. Bis plötzlich jemand wie verrückt an meinen Flossen rüttelte und nach oben deutete: Majestätisch glitten die beiden Mobulas durchs Blauwasser. Ich wahrlich magischer Moment an den ich immer wieder durch Günter ("Du hättest ihn sonst nicht gesehen")  und Müüsu ("Du hast mich am Felsen zurück gelassen und bist den Mobulas hinter her") erinnert werde. Zum Glück hat Günter auch Daniela vom Felsen geholt und die Mobulas blieben auch eine Zeitlang bei uns.

 

Der erste Walhai kam auch erst viel später: 

A Propos Walhai: Diese Begegnung hatten wir in Thailand erleben dürfen. Dort lernten wir auch Stephan Hinterberger und Maritta kennen. Zwei Menschen, die zum Zeitpunkts des Tsunamis 2005 unter Wasser waren. Sie tauchten beide zur selben Zeit am Sharkpoint. Ihre Erlebnisberichte gehen richtig unter die Haut. Etwas, was ich selber nie erleben möchte. Danke an die Beiden, dass sie ihre Erlebnisse, Erfahrungen, aber auch paar schöne Stunden unter Wasser mit uns teilten.

 

Eine spezielle Situation haben wir auch in Giglio erfahren. Ja, genau die Insel, wo ein italienischer Captain sein Kreuzfahrtschiff auf die Seite legte. Wir tauchten aber einige Jahre vor diesem Unglück dort. Die Tauchplätze in Giglio sind wahrlich sehr schön.

Nach dem Abtauchen beobachteten wir, wie auf einmal ein Boot über uns los düste. Wir dachten noch zuerst, dass es eines unserer Tauchboote sei. Als wir wieder auftauchten, entdeckten wir ein Tauchgerät, das auf der Wasseroberfläche trieb. Und wir vermissten eine Taucherin und einen Guide. Wir konnten keine Luftblasen mehr erkennen, die aus der Tiefe aufstiegen. Wir fischten das Gerät aus dem Wasser und fuhren zurück zur Basis. Wir waren noch nicht angekommen, beobachteten wir, wie ein Rettungshubschrauber, der davon flog. Die Polizei erwartete uns bereits. Wie sich heraus stellte, bekam eine Taucherin panik und ist nach oben geschossen. Sie wurde sofort in eine Druckkammer gebracht. Das Boot, welches wir davon fahren sahen, war ein Fischer, der die Rettungskette aktiviert hatte.

 

Es gab auch Kurioses. Wie diese kleine Holländerin mit dem längsten Tauchmesser am Bein, das ich je gesehen hatte. Es war schon eher eine Machete. Drauf angesprochen meinte sie, dass sie sich einmal im Octopus ihres Buddys verheddert hatte und daraufhin Panik bekam. Seither nehme sie das Messer mit, damit sie sich im Notfall losschneiden kann...

 

So gab es viele Geschichten, die wir in diesen 1000+ Tauchgänge erzählen können. Und es werden hoffentlich noch ganz viele dazu kommen.

Unter Funkamateuren, die gerne in ferne Länder reisen, um seltene Gebiete mit Radiowellen zu aktivieren, kennt man den Spruch:"Where we go next?"

Als Funkamateur und Taucher erhält diese Frage doppeltes Gewicht. Wenn man unsere betauchten Gebiete auf der Weltkarte betrachtet,.

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Kommentare: 2
  • #1

    Gisela (Freitag, 18 September 2020 12:45)

    Kathedrale wäre auch nett gewesen für den 1000.
    Meiner war in der Ostsee in Gl Albo �

  • #2

    Michi (Freitag, 18 September 2020 23:17)

    Danke Gisela :-)
    Dafür war ich noch nie in der Ostsee... - Immerhin, warst Du im Meer. Obwohl Süsswasser ja nett ist, aber so einen runden Tauchgang möchte man halt schon irgendwie speziell geniessen :-)