Spätestens mit dem Erlangen der HB9 Lizenz hat der gemeine Funkamateur alle behördlichen Bildungsvorgaben für die Teilnahme am Amateurfunkdienst erfüllt. Doch selbst erfahrene YL's und OM's stehen mit einem grossen Fragezeichen da, wenn sie eine neue Disziplin angehen möchten. Gut wenn man jemanden kennt, der einem weiterhilft. Es gibt aber auch "Göttis" und die HamAcademy.
Wir Funkamateure bezeichnen uns gerne als Spezialisten der Kommunikation. Diese verallgemeinerte Bezeichnung löst bei mir Unbehagen aus. Erst recht, wenn der Spezialist durch den Experten ersetzt wird. Ein IT-Netzwerker versteht unter der Kommunikation zum Beispiel das OSI-Modell. Wenn wir einen Blick auf die zwischenmenschliche Kommunikation werfen, wird es komplexer. Stellen wir den Amateurfunkdienst nun unter den Scheffel der Telekommunikation, grenzen wir wichtige Elemente der Zwischenmenschlichen Kommunikation aus. Zum Beispiel stelle ich mir den Krisenfall mit Notfunkeinsatz sehr schwierig vor. Das Beherrschen der Telekommunikationstechnik ist das Eine, Interaktion mit Menschen in einer Krisensituation ist das Andere.
Konzentrieren wir uns also auf unser Kernkompetenz: Dem Übertragen von Informationen mittels drahtloser Nachrichtentechnik. In unserem Leben als Funkamateure werden wir wohl nie jede Disziplin gelernt, verstanden und angewandt haben, welche unser fantastisches Hobby ermöglicht. Das müssen wir auch nicht. Und das ist das, was ich an unserem Hobby so ungemein schätze: Es gibt einen grossen Blumenstrauss unterschiedlicher Disziplinen. Hat man einmal das Gefühl in einem Bereich alles gesehen und erlebt zu haben, wendet man sich dem nächsten Thema zu. Doch ab wann ist man Experte?
Als langjähriger Judoka und Trainer vergleiche ich es gerne mit dem Judosport: Mit dem Bestehen der Lizenzprüfung hat man den Anfängerkurs bestanden, die Grundlagen erlernt, und darf nun den weissen Gurt tragen. Die farbigen Gurte zeigen, dass man bestimmte Fähigkeiten neuer Techniken erlernt hat (z.B. Morsen, Contest, SOTA, etc). Und mit dem ersten schwarzen Gurt (ja, es gibt auch dort mehrere Stufen), wenn man das gros an Techniken und Disziplinen erlernt hat und anwenden kann, ist man dann ansatzweise Experte. Der Weg ist das Ziel. Sowohl im Judosport wie auch im Amateurfunk lernt man nie aus.
Was ich als Funkamateur sehr schätze: Im Gegensatz zum Judo kann ich mich jederzeit mit einer neuen Technik beschäftigen und muss zwischendurch keine Prüfungen für die nächste Stufe ablegen. Auf der anderen Seite fehlt aber oft die strukturierte und methodische Herangehensweise um ein neues Thema angehen zu können. Da helfen die 10 Minuten Tutorials auf Youtube, welche ich sehr schätze, nur bedingt weiter. (Einer meiner Lieblingskanäle: https://www.youtube.com/c/hb9blawireless/videos)
Vom Vortrag, über Kurse und "Götti" zur HamAcademy
Die Vereine und Sektionen bieten an ihren Treffen regelmässig Vorträge zu verschiedenen Themen an. Manchmal organisieren diese auch zu einem spezifischen Themen Kurse an. Der bekanntestes Vertreter darunter ist der Morsekurs.
An dieser Stelle ein kurzer Werbeblock in eigener Sache: Die USKA Sektion Thun hat mich am 15.09 zu einem Vortrag eingeladen. Der Wunsch ist, dass ich über QO-100 und ARISS berichte. Den Worten folgen aber auch Taten: Am 24.09. organisiert HB9T einen Praxistag, bei welchem Wolfgang HB9RYZ und ich teilnehmen werden und den anwesenden die praktische Anwendung vermitteln. Die Ausschreibung dazu ist auf der neuen Webseite von HB9T veröffentlicht.
Eine gewisse Lücke an Wissensvermittlung schliesst René, HB9NBG, der zu bestimmten Themen Aus- und Weiterbildung im Amateurfunkbereich anbietet.
Unser Dachverband, die USKA, hat diesbezüglich viele Jahre nichts unternommen. Das Manko wurde aber erkannt und neue Weichen wurden gestellt. Schon seit ein paar Jahren gibt es dazu die USKA HamAcademy, in welcher spezifisches Wissen vermittelt wird. Zusätzlich wurde ein Göttisystem lanciert. Göttis sind Funkamateure welche sich vor allem angehende oder frischlizenzierte Funkamateure annehmen und begleiten. Die AMSAT-HB hat bereits zu Zeiten von Swiss AMSAT Operators die Satelliten "Coaches" eingeführt, welche sich innerhalb der Satellitenwelt zu spezifische Themen ihr Wissen vermitteln.
Die USKA HamAcademy wird von Martin Klaper, HB9ARK, ehemaliger Prof. der Hochschule Luzern HSLU, geleitet. Auf Grund von Bedürfnissen und Verfügbarkeit der Dozenten wählt er den Themenkatalog aus und organisiert die Seminare. Anfänglich konnte er noch Frontalunterrichte organisieren, derzeit sind es Online-Seminare.
Auf dieser Plattform bietet die USKA auch Hamgroups an, welche sich mit spezifischen Themen aus der Amateurfunkwelt befassen. Hamgroups können als virtueller Stammtisch betrachtet werden. Mit dem Vorteil, dass aus ganz HB9 (und darüber hinaus) Funkamateure teilnehmen können und so der Kreis der Spezialisten grösser ist, als beim Treffen innerhalb des Vereins oder Sektion. Man muss/darf abwägen, wann man den virtuellen Treff dem persönlichen Treff den Vorzug gibt.
Amateurfunkdienst über Satellit war schon 2x Thema der HamAcademy
2017 fand die erste Academy zum Thema Satellit statt. Damals noch als Frontalunterricht mit den Dozenten HB9DUN/DH2VA, DK3WN. Auch ich durfte damals als (Laie-)Dozent mitwirken.
Gestern fand nun die Online Ausgabe dieses Moduls statt. 12 Teilnehmer nahmen daran teil. Martin hatte dieses Seminar professionell vorbereitet und durchgeführt. Als Dozenten waren Wolfgang, HB9RYZ und ich im Einsatz. Für mich war es die erste Onlineveranstaltung als Dozent. Obwohl ich den Frontalunterricht viel mehr schätze, konnte ich sehr viel Positives an der Online Veranstaltung abgewinnen. Zum Beispiel konnten die Teilnehmer Fragen während der Präsentation in den Chatbereich stellen, welche vom restlichen Dozententeam vorab im Chatkanal beantwortet wurden. Persönlich fehlte mir aber die direkte Interaktion mit dem Publikum, was oft über Nonverbale Kommunikation getriggert wird.
Fazit:
Damit wir von den Entwicklungen nicht links und rechts überholt werden, dürfen wir nicht stehen bleiben. Mit der Lizenzprüfung hat aber jeder Funkamateur schon einmal die Lernbereitschaft unter Beweis gestellt.
Die Demographie der Funkamateure zeigt, dass die Meisten von uns digitale Migranten sind. Die Digitalisierung hat im Amateurfunk zwar schon lange Einzug gehalten. Wollen wir also nicht stehen bleiben müssen wir uns dem Thema weiter öffnen und vermehrt unsere Aufmerksamkeit schenken. Der analoge Amateurfunk wird uns wohl immer begleiten. Das Experimentierfeld wird sich aber auf die digitalen Technologien konzentrieren. Und nein, hier denke ich nicht an die Administration von DMR Codeplugs, sondern mehr in die Richtung der Modellierung von Sender und Empfänger mittels GNU-Radio. Detail am Rande: Ich habe davon Null Ahnung. Doch EA4GPZ beweisst es mir in seinem Blog, dass daran kein Weg in der AMSAT-Welt vorbei führt.
Vielleicht suche ich mir dazu erst einmal einen Götti.
Quelle:
Wikipedia Kommunikation - https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunikation
Wikipedia OSI Modell - https://de.wikipedia.org/wiki/OSI-Modell
Wikipedia Zwischenmenschliche Kommunikation - https://de.wikipedia.org/wiki/Zwischenmenschliche_Kommunikation
Aus- und Wieterbdildung HB9NBG - https://www.lutz-electronics.ch/aus-und-weiterbildung/
USKA HamAcademy - https://hamwebinar.ch/hamacademy/
USKA Göttisystem - https://www.uska.ch/karte-goetti/
AMSAT-HB Coaches - https://www.amsat-hb.org/ausbildung/coaches/
USKA HamGroups - https://www.hamgroups.ch/
GNU Radio - https://www.gnuradio.org/
EA4GPZ Blog - https://destevez.net/
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