Der Medium Earth Orbit (MEO) wurde von uns Funkamateuren bisher kaum beachtet. Weder Universitäten, noch wir selbst haben Satelliten mit Amateurfunknutzlast in diesen Orbit gestartet. Vor ein paar Wochen habe ich hier bereits über den Start mehrerer Cubesats in den "MEO" geschrieben. Die rein digitale Transponder dieser Satelliten hatten mich damals noch nicht so begeistert. Das liegt wohl daran, dass Funkverbindungen via Satelliten mittels Store&Forward üblicherweise nicht für das DXCC gewertet werden.
Doch Greencube lehrte mich anders darüber zu denken. Seit wenigen Wochen ist der Transponder aktiv und sorgte in der Satelliten Community für grosse Aufregung. Endlich sind wieder Funkverbindungen über grosse Distanzen auch für Länder ausserhalb des QO-100 Footprints möglich.
Greencube - der Satellit:
Der Satellit wird vom S5Lab-Forschungsteam der Universität Sapienza in Rom verwaltet und ist in Zusammenarbeit mit der ENEA (die italienische Nationalagentur für neue Technologien, Energie und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung) und die Universität Neapel „Federico II“ entstanden. Auch die Universität Stuttgart ist mit einem Plasmatriebwerk als Sekundärnutzlast an dieser Mission beteiligt.
Wie aber das Logo und Name des Satelliten stark vermuten lässt, ist die Hauptnutzlast in der Botanik zu verorten. In einem Druckbehälter sind Pflanzensamen mit an Bord, welche in Mikrogravitation gedeihen sollen. Ein solches Experiment war mir bisher noch nicht bekannt. Daher ist es um so sinnvoller, dass wir Funkamateure dabei helfen, mit Empfang der Telemetriedaten die Mission und somit das Gelingen dieses Forschungsexperiments zu unterstützen.
Der Orbit von Greencube
Schauen wir uns die Parameter der Flugbahn etwas genauer an:
Katalognummer: 53106
Perigäum: 5'833km
Appogäum: 5'854km
Inklination: 70,2°
Mittlere Anomalie: 6,42557455
Umlaufzeit: ~224 Min
Wer diese Bahndaten mit jener der ISS oder anderen LEO-Satelliten vergleicht, merkt rasch, dass wir es hier mit ganz anderen Parametern zu tun haben. Diese wirken sich sehr positiv auf den Betrieb über den Satelliten aus:
- Überflugsdauer von über einer Stunde
- Der Footprint lässt DX bis ca. 12'000km zu. Dabei muss eine Distanz zum Satelliten von über 10'000km überbrückt werden
- Der Drift der Dopplerverschiebung verläuft deutlich langsamer
Die Amateurfunknutzlast:
Die Telemetriebake wird auf 435.310 MHz ausgesendet. An den Wochenenden, wenn keine wissenschaftlichen Daten mit dem Satelliten ausgetauscht werden, wird der Satellit in den Digipeatermode geschaltet, welcher mit 1200 Baud GMSK moduliert ist. Der Digipeater wurde in Zusammenarbeit mit der AMSAT-I entwickelt.
Der Digipeater arbeitete zuerst im ACK Modus, was bedeutet, dass die empfangenen Packete innerhalb 15 Sekunden wieder ausgesendet wurden. Nun ist es aber möglich, Nachrichten mit Store and Forward zu versenden. Dazu muss man der Nachricht ein TX Delay hinterlegen, was nicht ganz einfach ist, wenn man die Nachricht über einem bestimmten Zielgebiet ausgesendet haben möchte. Hier wird derzeit noch an den Parameter experimentiert.
Die Signale lassen darauf schliessen, dass der Satellit nur ein paar 100 Milliwatt Sendeleistung besitzt. Nähere Angaben konnte ich bisher leider dazu noch nicht finden.
Betrieb über Greencube:
Für einmal gilt der Grundsatz von Vollduplex nicht. Das ist auch nicht möglich, da Greencube auf der selben Frequenz sendet und empfängt.
Dafür gewinnt ein anderer Grundsatz viel mehr an Bedeutung: Erst senden, wenn die empfangene Signale von Greencube auch decodiert werden können. Alles andere führt zu redundanten, störenden Traffic.
Für den Downlink benötigt man eine Richtantenne von mindestens 10dBi und Vorverstärker (Empfehlung von S5Lab). Zirkulare Polarisation ist sehr zu empfehlen, dass zeigen die ersten Empfangsversuche. Bei den 10 dBi ist man sehr knapp bedient. Jedes dB zählt im Empfang.
Abhängig von der Antenne sieht es mit der Sendeleistung im Uplink aus. Mir ist es gelungen mit QRP-Leistung zu arbeiten. Es ist nicht zwingend so, dass der stärkere Gewinnt, sondern die Station, die am Besten mit dem TX-Delay umgehen kann. Der Betrieb wird in SSB abgewickelt.
Da inzwischen viele Funkamateure den Satelliten nutzen, hat sich ein FT-8 ähnlicher Betrieb mit fixen Textbausteinen eingebürgert. Es ist aber auch möglich individuelle Kurznachrichten auszutauschen.
Der Betrieb über den Greencube verlangt eine gewisse Exaktheit bei der Bodenstation. Abweichungen von mehr als 200-300Hz führt dazu, dass die Signale weder im Uplink noch im Downlink decodiert werden. Daher ist ein akkurate Frequenzeinstellung notwendig. Auch dürfen im Empfang keine Signalprozessoren, AGC, Noiseblanker etc in die Verarbeitung des Signals eingreifen. Ansonsten wird es auch hier schwierig, die Packete zu decodieren. (Ja, ich habe Nächte damit verbracht, meine Station zu konfigurieren).
Entschärft wird die Problemstellung mit einem guten SNR, welches in erster Linie über eine vernünftige Antenne mit >15dBd gewährleistet werden kann. Wer noch über Antennen für AO-10, AO-13 verfügt und im Einsatz hat, ist sicher gut eingerichtet und hat genügend Reserven.
Inzwischen wurden von verschiedenen Stationen viel Erfahrung im Betrieb mit Greencube gesammelt. FG8OJ hat eine Schritt für Schritt Anleitung geschrieben, wie man über diesen Satelliten qrv werden kann.
Fazit:
Bei Grenncube hat es eine Art QO-100 Effekt gegeben. Innert kurzer Zeit wurden neue Software geschrieben und veröffentlicht. Jeder ist erpicht noch mehr aus der Station heraus zu holen. Erfahrungen über Erfolge und MIsserfolge werden ständig ausgetauscht, damit möglichst viele davon profitieren können.
Es ist spannend, seit langer Zeit wieder Stationen z.B. aus Japan zu arbeiten. Das Gedränge auf dem Transponder ist innert Tagen stark angestiegen. Immer noch bekunden einige Stationen Mühe mit dem Empfang. Auch ich bin noch nicht zu frieden mit meiner Empfangsleistung.
Greencube leistet hier einen wichtigen Beitrag an die Funkamateure. Der Satellit führt uns vor Augen, dass Raumfahrtkommunikation nicht ganz trivial ist und fordert uns dabei heraus.
Resultat: Wir machen uns noch mehr Gedanken über die Optimierung unserer Stationen, sammeln Erfahrungen mit den Eigenschaften des Medium Earth Orbit und lernen neue (alte) Betriebstechniken anzuwenden.
Quellen:
S5LAB Webseite - https://www.s5lab.space/index.php/greencube-home/
Soundmodem und Terminal UZ7HO - http://uz7.ho.ua/greentnc.zip
F8OJ Schritt für Schritt Anleitung - https://fg8oj.com/news/greencube-digipeater
DK3WN Greencube Telemetriedecoder - https://www.dk3wn.info/files/greencube.zip
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