...3...2...1... and we have liftoff

2011 ging die Space-Shuttle Ära zu Ende. So faszinierend dieses Wunderwerk der Technik auch ist: Die Stilllegung der Shuttle-Flotte war ein richtiger Entscheid. DieMissionskosten stiegen immer höher und mit ihr das Risiko eines Unfalls.

 

Tausende "Birdwatcher" pilgerten zu jedem Start eines Space-Shuttles nach Florida an die Space-Coast. Die Emotionen, welche ein solcher Start hervorruft, sind kaum zubeschreiben. Zwei Mal durften wir dabei sein: 1997 und 1999.

Das erste Mal beobachteten wir den Start von Titusville aus rund 30km Distanz. Das zweite Mal aus 7-8 km. Hier die Story:

 

Es war einer unserer grossen Tours durch die USA. Begonnen in Dayton (Hamvention) führte uns die Reise über Huntsville (Marshall Space Flight Center) über News Orleans (NASA Stennis haben wir leider ausgelassen :-) nach San Antonio, Texas. Der Rückweg ging logischerweise über Houston (Johnson Spaceflight Center) nach Florida an die Space Coast.

 

Wir waren im Mission Controll Center in Houston und starrten auf die grossen Leinwände. Oben rechts die grosse Countdown Anzeige. Und irgendwie zählte die rückwärts.Zu diesem Zeitpunkt wussten wir von dem geplanten Start noch nichts, resp. rechneten nicht damit, dass während unseres Urlaubs der Start durchgeführt wird, da sie eh ständig verschoben wurden. Die Countdown-Clock in Houston zeigte also etwas von T-4D 13H an. Somit war klar, dass der Aufenthalt in Houston verkürzt wurde.

 

Am Nachmittag gleichen Tags setzten wir also unsere Reise mit Ziel Florida fort. Spät am Abend checkten wir in der Umgebung von New Orleans in einem Hotel ein undfuhren am nächsten Tag bis nach Panama City Beach. Zwei Nächte gönnten wir uns dort und genossen das warme Meer mit dem unglaublichen weissen Sandstrand. Das Hotel Sandpiper Bacon soll in einer unserer zukünftigen Reise wieder als Zwischenstation dienen.

 

Am Vortag des Starts fuhren wir direkt ins Kennedy Space Center ohne Ausschau nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu halten. Der Grund lag für uns auf der Hand: Im Gegensatz zu 1997 wollten wir dieses mal den Start aus möglichst naher Entfernung erleben. So sind wir direkt zum Info-Desk geschritten und haben uns nach den begehrten Tickets erkundigt. "Sorry guys, sold out" war die erste Antwort. Die Endtäuschung war uns ins Gesicht geschrieben. "Aber", fuhr die Dame hinter dem Desk auf Deutsch fort, "ich kann Euch eine Permission ausstellen, damit ihr den Start vom Gelände des Visitor-Centers verfolgen könnt. Und manchmal sind einige Stunden vor dem Start Tickets zur Verfügung, die von Reiseveranstalter zurück gegeben worden sind". Wir waren happy. Das Visitor-Center ist zwar nicht in unmittelbarer Nähe, bietet aber eine einmalige Kulisse für den Shuttle-Start.

 

Mit der Permission machten wir uns auf den Weg um ein Motel zu suchen. Nun spürten wir hautnah, welche Auswirkungen ein Shuttle-Start auf die Verfügbarkeit von Motelzimmer und deren Preise hatten: Was man sonst für eine Woche bezahlt, wurde nun für eine Nacht fällig. Zu viel für unser Reisebudget.

 

Wir mussten uns eine neue Strategie zu Recht legen. Der Start war in den frühen Morgenstunden kurz vor Sonnenaufgang geplant. Die Abfahrt der Busse vom Visitor-Center zu den Beobachtungspunkten war spätestens 2 Stunden vor Start geplant. Die Gates der Zufahrtsstrassen zum Visitor-Center öffneten morgens um 01:00 Uhr.

 

Wir entschlossen uns, irgendwo am Strand im Auto zu schlafen.

 

Nach einem feinen BBQ fuhren wir also los und fanden tatsächlich noch eine Parklücke an einem der Stände. Die "Birdwatcher" sind alle schon anwesend und säumten die Gegend um den Startplatz in ca. 30km Distanz. Wir machten uns im Auto gemütlich und dösten ein. Richtig einschlafen konnten wir nicht, denn die Restkälte der Klimaanlage war rasch aufgebraucht. So begangen wir einen mächtigen Fehler: Wir öffneten die Fenster. Und schon schwirrten zahlreiche, blutrünstige Moskitos in unserem Auto herum. Es dauerte eine Weile, bis wir die letzte erledigten. Man lerne: Nicht jeder Strand befindet sich am Meer. Es gibt auch solche an grossen Flüssen und die sind in Florida voll von diesen Biestern.

 

Neue Strategie: Motor alle 30 Minuten einschalten und das Auto mit der Klimaanlage runter kühlen. Irgendwann mussten wir eingestehen, dass auch dieses Vorhaben von keinem Erfolg gekrönt war.

 

Wir brachen die Übung um Mitternacht ab. Viel geschlafen haben wir nicht. Wir fuhren um Mitternacht los um irgendeine Alternative zu finden. Diese fanden wir dann in Form eines Einkaufcenters, welches 24h lang offen hat.

 

Während zig Angestellte damit beschäftigen waren, die Verkaufsregale aufzufüllen, waren wir praktisch die einzigen Kunden zur Geisterstunde. Wir kauften uns gekühlte Koffein-Shots (irgendwas süsses mit viel Cafe) und versuchten uns damit aufzuputschen.

 

Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass die Gates in den nächsten Minuten öffneten. Wir konnten nun wählen, hier im Einkaufcenter rumzuhängen oder uns im Visitor-Center des Kennedy Space Centers gemütlich zu machen. Wir entschieden uns für die romantischere Variante.

 

Am Gate angekommen wurden wir von zwei bewaffneten Militärangehörige bestimmt aber sehr freundlich angehalten. Nun waren wir gespannt: Funktioniert diese Permission nun tatsächlich? Sie funktionierte! Mit militärischem Gruss wurden wir durchgelassen. Etwas gespenstig sahen die vielen Kontrollstellen und Absperrungen aus. Überall Scheinwerferlicht und blinkende Lichter. Doch die Dunkelheit und die weitlaufenden Strassen liessen die Szenerie irgendwie trotzdem ruhig wirken.

 

Am Parkplatz angekommen stellten wir fest, dass schon zahlreiche Besucher mit Auto und Bussen da waren. Im Visitor-Center herrschte schon emsiges Treiben. Als erstes suchten wir den Infodesk auf und fragten nach verfügbaren Tickets. Leider wurden wir endtäuscht. Es seien keine Tickets zurückgegeben worden.

 

Endtäuscht aber trotzdem gespannt auf den bevorstehenden Start, erkundeten wir das Gelände und hielten Ausschau nach dem idealen Beobachtungspunkt. In einem Event-Zeltwaren zahlreiche Monitore live geschaltet, auf welchem man die Startvorbereitungen mit verfolgen konnten. Wir schauten zu, wie die Astronauten Rominger und Husband auf Ihren Sitzen der Raumfähre Discovery festgeschnallt wurden. Das Missionsziel von STS-96 war, 2,1 Tonnen Material zur ISS zu fliegen, welche damals gerade mal aus zwei Modulen bestand. Ebenfalls waren Wartungsarbeiten an der ISS geplant.

 

Obwohl wir einen guten Platz gefunden hatten, meinte Daniela, dass wir nochmals am Infodesk nachfragen sollen. Also auf zur grossen Empfangshalle. Zum dritten Mal wurden wir abgewiesen. Nach uns ging ein Asiate an den Infodesk. Er hatte drei Tickets in der Hand und scheinbar ein Problem damit. Wir hörten nur noch, wie die Dame am Desk sagte, dass sie keine Tickets zurücknehmen können. Blitzartig war Daniela wieder am Desk und fragte ihn, ob er die Tickets verkaufen wolle. Der Asiate, ein Reiseleiter, war darauf richtig happy: Drei Mitreisende konnten nicht kommen und er wäre echt froh, wenn er die Tickets verkaufen könnte. Wir können diese haben für 12 Dollar pro Ticket, den normalen Verkaufspreis.

 

So erstanden wir nun doch noch unsere Tickets und waren total happy. Das dritte Ticket kaufte ein deutscher Tourist, der danach auch völlig happy war.

 

Kaum hatten wir die Tickets, fuhren auch schon die Busse vor. Wir stiegen in der dunklen heiss schwülen Nacht in die klimatisierten Busse ein. Zum Glück hatten wir unsere Jacken mit dabei. Vorbei an einer grossen Sicherheitskontrolle fuhr uns der Chauffeur etwa eine halbe Stunde lang über das Arial des Kennedy Space Center. Dabei wurden wir über den bevorstehenden Start genauestens informiert.

 

Es waren schon einige hundert Zuschauer vor Ort, als wir aus dem Bus stiegen und das Public Viewing betraten, welcher am Strand des Indian River befand. Alle Kontrolllichter der Starttürme waren eingeschaltet, von einer Dämmerung des Morgens noch keine Spur. In zwei Stunden, um 06.49 Uhr Ortszeit, soll der Start erfolgen.

 

Über Lautsprecher konnten wir dem Funkverkehr zwischen Launch-Controll, Mission-Controll und der Raumfähre Atlantis lauschen. Der Countdown-Sprecher sagte zwischendurch immer wieder die Zeit bis zum Start an. Die Spannung steigt. Das Morgengrauen kündigte sich an. Zuerst sah man am Horizont eine kleine Aufhellung. Danach durften wir Zeuge einer wunderschönen Morgendämmerung werden.

 

Nach der zweiten, geplanten Unterbrechung des Countdowns, stieg die Spannung unaufhörlich. T - 2 minutes and counting... Am Horizont macht sich langsam die aufgehende Sonne bemerkbar. T - 60 seconds and countding... Die Zuschauer waren ganz still, lauschten und waren extrem gespannt.

 

Wir wussten genau, welche Sequenzen nun abliefen, stellten uns vor, wie die Astronauten in der Discovery ebenfalls den Start erwarteten. Bei T - 15 Sekunden pochte dann das Herz, wir starrten gespannt in die Dunkelheit. Der Countdownsprecher zählte die Sekunden unaufhörlich hinunter.

 

"Ignition sequence start...6...5...4...3...2...1...Zero - all Engines Running!" Still war es und wir schauten uns verduzt an, da wir zuerst nicht sahen. Doch dann als der Kommentator noch sagte "and we have Liftoff", sahen wir ein gleisendes Licht vor uns. Das Space-Shuttle jagte vorerst lautlos aber mit einem unendlich hellen Feuerstrahl in den Nachthimmel. Man hatte das Gefühl, dass das Feuer im Gesicht brannte. Das Cape war taghell, während genau in diesem Moment die Sonne über den Horizont stieg: Was für ein Schauspiel.

 

Ca. 20 Sekunden nach dem Start, das Shuttle hatte bereits schon die oberen Wolkenschichten durchstossen und beschleunigte unentwegt, hörten wir ein tiefes grollen. Das Grollen wurden extrem lauten Donnern und Prasseln. Der Schall spürte man am ganzen Körper sogar der Boden schien leicht zu vibrieren. Unglaublich, welche Emotionen diese Bild- und Geräuschkulisse in einem hervorruft!

 

Den Abwurf der Feststoffraketen konnten wir leider nicht sehen, da diese genau hinter einer Wolke statt fand. Trotzdem konnten wir den Feuerstrahl der Discovery noch erkennen, als diese bereits am Horizont in den Weltraum vorstoss.

 

Eine Dampf- und Rauchsäule zeugte noch einige Minuten nach dem Start von einem riesen Spektakel, während die Astronauten bereits über unsere Heimat in der Schweiz flogen.

 

Wir waren total überwältigt. Völlig aufgestachelt machten wir uns auf die Weiterfahrt. Nach einem Frühstück fuhren wir noch in die Nähe des Flughafens von Orlando. Da befand sich das Integrationslabor der AMSAT, wo gerade der Amateurfunksatellit P3D für den Start in ein paar Monaten fertig gestellt wird. Wir wurden freundlich empfangen und durften anschliessend den Satelliten aus nächster Nähe bestaunen.

 

Wir waren müde, da wir kaum geschlafen hatten. Wir fuhren weiter Richtung Clear-Water Beach. Wir dösten eine Zeit lang am Strand und suchten anschliessend eine Bleibe für die nächsten Nächte. Die haben wir dann in einem wunderschönen Apartment direkt am Strand gefunden. Die Sonne verabschiedete sich am Horizont und ein unvergesslicher Tag ging zu Ende.